Es könnte so einfach sein, liebe Politiker

Zusammenstehen oder Nachtreten. Respekt oder Herablassung. Politik oder Verdrossenheit. Politiker und Politikerinnen zeichnen das Bild ihrer Zunft selbst

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Das Bild von Politik in Österreich kann so aussehen: Nach geschlagener Bürgermeisterwahl in Innsbruck stehen der Wahlsieger Johannes Anzengruber, der in der Stichwahl unterlegene Amtsinhaber Georg Willi und SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr bei einer Wahlparty gemeinsam auf der Bühne. Der grüne Bald-Altbürgermeister gratuliert freundlich. Im Publikum feiern Anhängerinnen und Anhänger der drei Parteien gemeinsam. Hier hat man offenbar erkannt: Mit Dauerstreit und Hacklschmeißereien, wie sie die Innsbrucker Stadtpolitik in den letzten Jahren prägten, macht man heute keinen Meter mehr.

Politik kann aber auch so aussehen: Das Magazin „profil“ berichtet über fragwürdige Förderzusagen aus dem Covid-Geldtopf des Bundeslands Niederösterreich. Ein bekannter Verschwörungstheoretiker hält Veranstaltungen über „Impfschäden“ ab. Ein „Ganzheitsmediziner“ erzählt dort unter anderem etwas von Neurorobotern im Impfstoff (die es nicht gibt). Zuständig für diese Förderungen ist ein FPÖ-Landesrat. Peinlich ist das aber auch für die ÖVP-Landeshauptfrau, die zwar nicht direkt damit befasst, aber als Regierungschefin natürlich in einer Art Gesamtverantwortung ist. Der Gesundheitsminister fordert sie auf, gegen die Förderungszusage einzuschreiten.

Die schwarzen Parteisoldaten treten prompt die Flucht nach vorne an. Denn wer, bitte sehr, muss denn Schuld an der Sache sein? Der grüne Gesundheitsminister natürlich. Der betreibe keine ausreichende Impfaufklärung, nur deshalb gebe es solche Veranstaltungen, höhnt der schwarze Landespolitiker Matthias Zauner und schickt noch den Vorwurf des „oberlehrerhaften Gehabes“ hinterher. In seinem Bundesland steht übrigens im schwarz-blauen Regierungsübereinkommen, dass es keine öffentliche Impfaufklärung mehr geben solle. Aber reflexhaftes Hinhauen, auf wen auch immer, gehört halt zum politischen Tagesgeschäft. Irgendwas wird schon picken bleiben. Selber hat man ganz sicher nichts falsch gemacht. Und zwar nie.

»Hallo, Politiker, was hält euch eigentlich davon ab, es anders zu machen?«

Noch ein Bild von Politik in Österreich. Egal, an welchem Tag man ins Parlament schaut, es wurlt nur so vor lauter Besuchern. Das Hohe Haus wurde jahrelang aufwendig saniert, seit Jänner 2023 hat es wieder offen, seither stürmen interessierte Erwachsene und Schulklassen die Führungen. Gruppenweise, teilweise begleitet von Abgeordneten, spazieren sie neugierig herum. 500.000 Menschen waren im Vorjahr da. Das beweist: Auch wenn laut Umfragen das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker auf dem Tiefpunkt ist, schätzen die Menschen im Land die Demokratie und ihre Institutionen. Was sie nicht wollen: ständige Streitereien und Intrigen. Eben das unschöne Bild, das Politiker und Politikerinnen oft abgeben.

Quer durch die Parteien beklagen Politikerinnen und Politiker, dass ihre Arbeit schwieriger geworden ist. Dass sie der herrschende Ton persönlich trifft. Dass sie spüren, dass es nicht eben das Beste aus ihnen herausholt, jeden Tag auf Angriff gebürstet zu sein. Dass sie sich Sorgen machen, was das alles mit der Stimmung im Land und mit der Widerstandskraft der Demokratie macht.

Ja, wir wissen, es ist Wahlkampf. Zeit der fokussierten Unintelligenz, frei nach Michael Häupl. Aber hallo, Politiker, was hält euch eigentlich davon ab, eure eigenen Sorgen ernst zu nehmen und es anders zu machen?

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