Im Wandel der Zeit

Wartezeiten von bis zu fünf Jahren, Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich, Börsencrash bei Watches of Switzerland: Der Markt für Luxusuhren verändert sich. Was Käufer jetzt wissen sollten.

von Luxusgüter - Im Wandel der Zeit © Bild: Getty Images/2021 Christian Vierig

Wer als Neukunde eine Daytona oder Submariner von Rolex erwerben möchte, muss geduldig sein – und mehr finanziellen Spielraum mitbringen als je zuvor. Bei Juwelier Wagner in Wien wartet man mindestens zwei bis fünf Jahre auf bestimmte Modelle, sofern die Listen nicht ohnehin längst geschlossen sind, wie dies zum Beispiel bei Edelstahlmodellen der Datejust der Fall ist.

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Ist das lang ersehnte Modell dann eingetroffen – falls es eintrifft, denn Wartelisten bieten keine Garantie und sind nur eine unverbindliche Vormerkung –, haben Käufer etwa zwei Wochen Zeit, die Uhr abzuholen. Sonst wird sie dem Nächstgereihten in der Warteliste angeboten. Die Krux: Preis nach Auslieferung. Das bedeutet, das Modell ist bei Abholung zu bezahlen, Preisgarantie gibt es keine und empfindliche Preissteigerungen muss der geneigte Käufer dann mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit hinnehmen. Oder eben auch nicht.

Hohe Preissteigerungen

Seit 2022 hat Rolex die Preise im Schnitt um mehr als 10 Prozent erhöht. Das verärgert viele (Stamm-)Kunden. Damit will Rolex vor allem seine Vormachtstellung am Markt sichern. Der Umsatz des Schweizer Herstellers betrug Schätzungen von Morgan Stanley zufolge rund 9,3 Milliarden Schweizer Franken im Jahr 2022. Rolex gilt damit als unangefochtene Nummer eins im Luxusuhrensegment, weit vor Cartier (2,75 Milliarden CHF) und Omega (2,47 Milliarden CHF).

2024 steht der Uhrenmarkt jedoch vor ganz neuen Herausforderungen. Die "Watches of Switzerland"-Aktie, zu deren Portfolio Rolex, Tudor, Omega, Patek Philippe, IWC Schaffhausen und viele andere Uhrenhersteller zählen, sackte im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief ab: Von 2023 auf 2024 verlor die Aktie um gut 50 Prozent an Wert. Analysten prognostizieren weiterhin niedrigere Verkaufszahlen, auch die Umsatzentwicklung und Gewinnschätzungen für die kommenden Jahre wurden nach unten korrigiert.

Das "Manager Magazin" berichtete unter Berufung auf Brancheninsider von leergefegten Wartelisten bei vielen Luxusuhrmodellen: Anwärter würden absagen, da sie aufgrund von Inflation, gestiegenen Rohstoffpreisen und hohem Wechselkurs des Schweizer Franken nach zwei Jahren Wartezeit gut 30 Prozent mehr für ihre Uhr zahlen müssten. Auch die "FAZ" diagnostizierte mit Blick auf den Branchenprimus: "Die Rolex-Blase ist geplatzt."

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MESSE

Watches and Wonders

Die Genfer Branchenmesse "Watches and Wonders" verzeichnete 2024 einen wahren Besucheransturm: 49.000 Besucher, ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, verdeutlichen das hohe Interesse am Luxusuhrensegment. Doch trotz Besucherrekords war die Grundstimmung eher pessimistisch. Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour glaubt, die goldenen Zeiten der Branche seien vorbei: "2024 wird eine Herausforderung sein", so der CEO zur "NZZ".

Uhren aus Vorbesitz

Fakt ist, dass die Anzahl der exportierten Uhren der Schweizer Uhrenindustrie seit Oktober 2023 leicht rückläufig ist. Rund 1,2 Millionen Exemplare wurden der Federation of the Swiss Watch Industry zufolge im Februar 2024 ins Ausland verkauft, während es im November 2023 noch rund 1,55 Millionen Stück waren. Als wichtigste Zielmärkte gelten USA, China, Hongkong und Japan, doch gerade in diesen Märkten schwächelt die Nachfrage nach werksneuen Modellen.

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Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour erklärte in der "NZZ", dass gerade die hohen Produktionskosten in der Schweiz, die Zinsen sowie der hohe Goldpreis auf die Verkaufspreise einwirken und zu Teuerungen führen. "2024 wird eine Herausforderung sein. Eine Phase, in der es allen Herstellern gut gegangen ist, geht zu Ende. In guten Zeiten wird oft zu viel produziert. Wenn sich dann, wie jetzt, die Märkte abschwächen, geraten die Uhrenhändler unter Druck und reagieren mit Rabatten. Das ist äußerst problematisch, denn Rabatte schaden emotionalen Produkten wie unseren", so Dufour.

Für viele Händler ist der Zweitmarkt eine lukrative Ergänzung zum bestehenden Neuwaren-Sortiment geworden: Bei Bucherer 1888 hat man den Trend zum Kauf von gebrauchten Uhren schon früh erkannt. Das 1888 in Luzern gegründete Unternehmen beschäftigt mittlerweile über 2.000 Mitarbeiter weltweit und baut sein "Pre-Owned"-Sortiment (dt. gebraucht) seit einigen Jahren sukzessiv aus. 2019 hat man mit einem eigenen "Certified Pre-Owned"-Bereich einen Ort geschaffen, an dem Kunden Uhren aus Vorbesitz kaufen oder auch verkaufen konnten. Jede dieser Uhren wird durch einen von der jeweiligen Marke zertifizierten Uhrmacher auf Echtheit und Qualität geprüft und durchläuft einen Service durch einen zertifizierten Uhrmacher.

4,16 Milliarden Schweizer Franken betrugen die Exporte der Schweizer Uhrenindustrie in die USA im Jahr 2023. Seit der Coronapandemie haben sich die Exporte mehr als verdoppelt (2020: ca. 1,99 Mrd CHF)

Im April gab das Unternehmen jüngst die Eröffnung seiner "Rolex Certified Pre-Owned Lounge" in der Genfer Flagship-Boutique bekannt: Zwei Jahre Garantie gibt es zudem auf Rolex-Modelle aus Vorbesitz. "Uns war klar, dass der Handel mit Luxusuhren aus Vorbesitz bereits früh einen wichtigen Teil im Gesamtmarkt eingenommen hat. Wir mussten uns entscheiden, ob wir ein Teil davon sein möchten oder nur Zuschauer", erklärt Odilo Lamprecht, Global Director Certified Pre-Owned von Bucherer. "CPO" sei vor allem bei Sammlern, Erstkäufern von Luxusuhren sowie der jüngeren Zielgruppe beliebt, so der Experte. Hier spielt der Preisaspekt eine große Rolle, wobei die Zeit der Schnäppchen bei Uhren aus zweiter Hand wohl endgültig vorbei ist, denn auch am Zweitmarkt orientiert man sich am Marktpreis. Spannend ist das "CPO"-Modell aber gerade für all jene, die weniger Geduld und finanziellen Spielraum mitbringen: "Klar bietet CPO den Vorteil, dass alle Zeitmesser, die Kunden online oder in unseren Lounges entdecken, sofort verfügbar sind."

© Rolex/Matthieu Gafsou

Traum statt Investment

Eine Frage, die offen bleibt: Sind Luxusuhren noch eine gute Investition? Branchenkenner gehen davon aus, dass eine Rolex nach dem Kauf um rund acht Prozent an Wert verliert. Nur bestimmte Modelle aus zweiter Hand, wie die Rolex Daytona aus den Achtzigerjahren mit cremefarbenem Ziffernblatt ("Cream Dial"), die eigentlich als Mängelexemplar galt, können heute bei Auktionen ein Vielfaches mehr einbringen als jüngere Modelle.

Mit Uhren spekulieren also besser nur risikofreudige Profis mit dem nötigen Kleingeld. Alle anderen setzen auf secondhand – oder eben den eigenen Namen auf noch offene Wartelisten.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 17/2024.